Ein klarer Kurs in Richtung EU, wirksame Reformen und wirtschaftliches Wachstum lassen die Aussichten für Serbien deutlich positiv erscheinen. Mit einem klaren Votum für den führenden Politiker des Landes haben die serbischen Wähler Anfang April die politische Weichenstellung bestätigt. Die Länderrisiken haben sich aus Sicht von Credendo dadurch verringert. Es bleiben aber einige Schwachpunkte rund um die Staatsunternehmen und die Staatsfinanzen.

Von Christoph Witte, Country Manager, Credendo

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Deutliches Wahlergebnis

Bereits im ersten Wahlgang wurde der bisherige serbische Ministerpräsident Aleksandar Vučić, ein ehemaliger Ultranationalist, am 2. April 2017 zum Staatspräsidenten Serbiens gewählt. Vor einem Jahr hatte er in vorgezogenen Parlamentswahlen ein klares Mandat für Reformen und den EU-Beitritt des Landes erhalten. Die Serbische Fortschrittspartei SNS arbeitet unter Vučićs Führung entschlossen auf die EU-Mitgliedschaft hin, während sie gleichzeitig gute Beziehungen zu Russland pflegt und eine Politik der militärischen Neutralität verfolgt.

In der Wirtschaftspolitik verfolgt die Regierung einen schmerzlichen Kurs der Haushaltskonsolidierung. Die Umsetzung von Strukturreformen wird jedoch von anhaltendem politischem Widerstand erschwert, der auf Eigeninteressen, insbesondere im Zusammenhang mit Staatsunternehmen, zurückzuführen ist. Außerdem erhöht die Abwicklung defizitärer öffentlicher Unternehmen die Gefahr sozialer Unruhen. Trotz des ausdrücklichen Bekenntnisses zum EU-Beitritt dürfte das Spannungsfeld zwischen den Anforderungen des EU-Beitrittsprozesses, den engen Beziehungen zu Russland sowie nationalistischer Rhetorik weiterhin bestehen bleiben.

Verbesserung der ­Wachstumsperspektiven

In den vergangenen Jahren haben sich die Wachstumsperspektiven für die serbische Wirtschaft dank der Erholung von Industrieproduktion und Landwirtschaft sowie verstärkter Investitionstätigkeit merklich verbessert. Das reale BIP-Wachstum wird für 2017 auf 2,8% geschätzt, gegenüber 2,5% im Vorjahr. Beeinträchtigt werden die wirtschaftlichen Aussichten jedoch von den niedrigen Inlandsersparnissen und -investitionen sowie dem schwachen Geschäftsumfeld. Allerdings sind hier Verbesserungen zu verzeichnen.

Im „Ease of Doing Business“-Index der Weltbank ist Serbien von Platz 54 im Jahr 2016 auf Platz 47 im Jahr 2017 aufgestiegen. Trotz dieser Verbesserung bleibt das Geschäftsklima jedoch leicht angeschlagen. Zurückzuführen ist dies u.a. auf die Qualität des Justizwesens, Fragen der nichtpreislichen Wettbewerbsfähigkeit sowie die große Rolle von Staatsunternehmen in der Wirtschaft (2014 hatte Serbien 1.400 Staatsunternehmen, auf die etwa 15 bis 20% der regulären Beschäftigung entfielen).

Die Reformierung der Staatsunternehmen ist ein Kernstück des dreijährigen Standby-Agreements mit dem IWF, das 2015 bewilligt wurde und von Serbien als Vorsichtsmaßnahme betrachtet wird. Das Reformtempo ist langsam, doch inzwischen konnten diverse Fortschritte erzielt werden. Einige staatliche Unternehmen haben Konkurs angemeldet oder wurden privatisiert, was zu einem Anstieg von Direktinvestitionen geführt hat. So gab das chinesische Unternehmen HeSteel bekannt, 2017 120 Mio USD in die Modernisierung des serbischen Stahlwerks Zelezara Smederevo zu investieren, das es 2016 gekauft hat. Es wird davon ausgegangen, dass die Regierung ihre Anstrengungen zur Reformierung der Staatsunternehmen fortsetzt (weitere Privatisierungen wurden bereits angekündigt).

Kontinuierliche ­Haushaltskonsolidierung

2015 und 2016 wurden eindrucksvolle Anstrengungen zur Konsolidierung des Haushalts unternommen. Dies führte 2016 zu einer Verbesserung der Haushaltsbilanz und einem leichten Rückgang der gesamtstaatlichen Verschuldung. Die Schulden bestehen meist gegenüber ausländischen Gläubigern und haben sich von 35% des BIP im Jahr 2009 auf über 75% des BIP im Jahr 2015 erhöht. Darüber hinaus ist auch das Verhältnis der Zinszahlungen zu den öffentlichen Einnahmen gestiegen, bleibt allerdings relativ moderat. Für die kommenden Jahre wird eine weitere Verbesserung der öffentlichen Finanzlage erwartet. Trotz dieser Fortschritte ist die finanzpolitische Kontrolle jedoch unverändert schwach, was von den inländischen Zahlungsrückständen diverser Gemeinden und Staatsunternehmen belegt wird.

Sinkendes Leistungsbilanzdefizit

In den vergangenen Jahren hat sich das Verhältnis des Leistungsbilanzsaldos zum BIP leicht verbessert – ein Trend, der sich 2017 fortsetzen dürfte. Diese Verbesserung beruht auf einem kontinuierlichen Anstieg von Warenexporten (auch infolge von Direktinvestitionen) und Nichtfaktorleistungen, während private Transfers leicht unter Druck geraten sind. Als Nettoimporteur von Brennstoffen hat das Land außerdem von den niedrigen Ölpreisen profitiert. Der Zufluss von Direktinvestitionen (in der Automobilbranche, der Landwirtschaft, im Bergbau sowie im Luftverkehr) war in den vergangenen Jahren auf einem hohen Niveau und dürfte sich, auch vor dem Hintergrund weiterer Privatisierungen, künftig fortsetzen.

Die Devisenreserven sind, sowohl relativ als auch absolut gesehen, leicht zurückgegangen. Dennoch verbleiben sie auf einem günstigen Niveau, da sie im Oktober 2016 nach wie vor nahezu fünf Mo-natsimporte und das Dreifache der kurzfristigen Verschuldung abdeckten. Das Verhältnis der kurzfristigen Verschuldung zu den Leistungsbilanzeinnahmen war in den vergangenen drei Jahren recht niedrig und stabil. Die Kombination aus der niedrigen kurzfristigen Verschuldung, günstigen Liquiditätsindikatoren und dem günstigen, wenn auch sinkenden Niveau der Devisenreserven begründet die Einstufung des kurzfristigen politischen Risikos in Kategorie 2 (von 7).

Die Zentralbank verfolgt eine Wechselkurspolitik des kontrollierten Floatings und greift so mit ihren Devisenreserven sporadisch in den Devisenmarkt ein. Die Inflation ist niedrig. Im vergangenen Jahr hat der Serbische Dinar gegenüber dem Euro und dem US-Dollar leicht an Wert verloren (um jeweils 0,8% bzw. 3%). Wie sich die Währung in den kommenden Monaten entwickelt, wird davon abhängen, ob es Serbien gelingt, ausreichende Kapitalströme wie Direkt- oder Portfolioinvestitionen anzuziehen, um sein moderates Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren.

Finanzrisiko im Abwärtstrend

Nach einem jahrelangen Anstieg erreichte die Auslandsverschuldung 2012 ihren Spitzenwert. Seitdem ist sie zurückgegangen und dürfte 2016 bei etwa 80% des BIP gelegen haben. Ein Großteil der Auslandsverschuldung entfällt auf den öffentlichen Sektor. Daher dürfte der Abwärtstrend dank kontinuierlicher Konsolidierungsbemühungen weiter anhalten, und mit der Senkung der Auslandsverschuldung ist außerdem ein Rückgang der Schuldendienstquote zu verzeichnen.

Dank der Verbesserung der finanziellen und wirtschaftlichen Situation zum einen und der stabilen politischen Lage zum anderen hat Credendo die Einstufung des mittel- bis langfristigen politischen Risikos Serbiens im Januar 2017 von Kategorie 6 auf Kategorie 5 verbessert. Aufgrund der fortschreitenden Haushaltskonsolidierung und des erwarteten weiteren Rückgangs der Auslandsverschuldung dürfte die Verringerung des mittel- bis langfristigen politischen Risikos in den kommenden Jahren andauern. Das Geschäftsrisiko ist moderat und wird in Kategorie B (Kategorien von A–C) eingestuft. Einerseits haben sich die Wachstumsaussichten verbessert, das Leistungsbilanzdefizit ist moderat, und Kredite sind verfügbar. Andererseits bleiben die Finanzierungskosten recht hoch, und das Geschäftsumfeld ist trotz jüngster Verbesserungen unverändert schwach.

Weitere Länderberichte und aktuelle Risikobewertungen finden Sie auf der neuen Internetseite von Credendo, ehemals ­Credimundi, unter www.credendo.com.

c.witte@credendo.com

 

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