Für Vietnam wird ein weiterhin hohes Wirtschaftswachstum erwartet. Der Außenhandel expandiert, Staat und Privatwirtschaft investieren in großem Umfang, und eine junge, aufstiegsorientierte Bevölkerung hat mit wachsendem Wohlstand steigende ­Konsumwünsche. All dies macht Vietnam zu einem sehr attraktiven Ziel für Exporteure und Investoren aus Deutschland. Mit einem Partner, der im Markt verwurzelt ist, bieten sich viele Chancen.

Von Phung-Phuong Lan, Leiterin Repräsentanz Ho-Chi-Minh-Stadt, ODDO BHF Aktiengesellschaft

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Als „Bambusstange mit zwei Reisschalen“ bezeichnen die Vietnamesen ihr Land gern bildlich. Die Deltas des Roten Flusses im Norden und des Mekong im Süden sind sehr fruchtbare Reisanbaugebiete. Dazwischen liegt ein langes, schmales und gebirgiges Gebiet, das dicht bewaldet ist. Ausländische Besucher sind von der über 3.000 km langen Küste mit ihren vielen malerischen Inselgruppen und Buchten, wie der weltberühmten Ha-Long-Bucht, begeistert. Sie zählt wie die Kaiserstadt Hué zu den acht UNESCO-Welterbestätten, die das Land vorzuweisen hat. In den vergangenen Jahren hat die Regierung viel in den Ausbau der touristischen Infrastruktur investiert. Der Tourismus hat sich mittlerweile zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige des Landes entwickelt. Vor allem Chinesen, Südkoreaner und Japaner kommen sehr gern nach Vietnam.

Vietnam, dessen Fläche nahezu der Deutschlands entspricht, hat mit der schrittweisen marktwirtschaftlichen Öffnung zu einer bemerkenswerten wirtschaftlichen Aufholjagd angesetzt. Die Weltbank stuft Vietnam mittlerweile als Schwellenland ein. Lebten die Menschen vor nicht allzu langer Zeit noch überwiegend von der Landwirtschaft, so ist inzwischen eine vielfältige Wirtschaftsstruktur entstanden. Gut 40% der vietnamesischen Wirtschaftsleistung werden heute von der Industrie erbracht, Dienstleistungen wie der Tourismus gewinnen an Bedeutung. Die Bevölkerung ist jung – 30% der Vietnamesen sind unter 14 Jahre alt − und aufstiegsorientiert. Die über 90 Millionen Vietnamesen möchten zum Wohlstand der Industrienationen aufschließen. Bildung hat einen hohen Stellenwert, Fleiß gilt als wichtige Tugend.

Übergang zur sozialistischen ­Marktwirtschaft

Vietnam wird von der Kommunistischen Partei Vietnams beherrscht. Es befindet sich in der Transformation von einer Zentralverwaltungswirtschaft zu einem System, das als sozialistische Marktwirtschaft bezeichnet wird. Privates Eigentum an Grund und Boden existiert in Vietnam nach wie vor nicht. Der Staat erteilt Landnutzungsrechte für rund 50 Jahre. Große Staatsbetriebe sind dominierend. Die Regierung erstellt weiterhin Fünfjahrespläne für die wirtschaftliche Entwicklung.

Wichtigste außenpolitische Partner Vietnams sind die anderen Mitgliedstaaten der ASEAN (Association of South East Asian Nations) sowie China, Japan, Südkorea, Russland, die USA und die EU, in den vergangenen Jahren auch vermehrt Indien und Australien. In der jüngeren Vergangenheit wurden die engen politischen Beziehungen zu China durch den Konflikt um die Vorherrschaft im Südchinesischen Meer belastet – China beansprucht weite Teile des rohstoffreichen Seegebiets vor der vietnamesischen Küste. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder unter diesem Konflikt leiden werden. Regionalen Beistand in dieser Kontroverse erhielt Vietnam im Juni 2017 durch eine mit Japan abgeschlossene Vereinbarung über eine engere Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Trotz des von Donald Trump beschlossenen Ausstiegs aus dem Trans-Pacific-Partnership(TPP)-Programm, der mit Enttäuschung aufgenommen wurde, möchte die vietnamesische Regierung an ihren Bemühungen festhalten, die politischen Beziehungen zu den USA zu stärken.

Wirtschaftliche ­Liberalisierung und Restrukturierung des Bankensektors

Vietnam hat Freihandelsabkommen mit der ASEAN-Wirtschaftsgemeinschaft, der Eurasischen Wirtschaftsunion, der EU, China und Südkorea abgeschlossen und wird seine wirtschaftliche Liberalisierung fortsetzen. Im Jahr 2015 wurden die Börsen und der Wohnungsmarkt für Ausländer geöffnet. Die Teilprivatisierung staatlicher Unternehmen zur Verbesserung ihrer Effizienz wird fortgesetzt. Unter anderem beabsichtigt die Regierung Teile der Bank für Landwirtschaft sowie mehrerer Tochtergesellschaften der Öl- und Gasfördergesellschaft PetroVietnam an private Investoren zu verkaufen.

Auch die Sanierung des durch notleidende Kredite belasteten Bankensektors wird vorangetrieben. Die vor wenigen Jahren gegründete Vietnam Asset Management Company unterstützt als Bad Bank überfällige Kreditportfolios. Nach Einschätzung der Economist Intelligence Unit (EIU) wurden bisher ausfallgefährdete Darlehen in Höhe von 13,5 Mrd USD erworben, eine Summe, die etwa 7% des BIP im Jahr 2016 entspricht. Das Bankwesen hat jedoch gezeigt, dass es in der Lage ist, die bestehenden Belastungen zu verarbeiten.

Wirtschaftswachstum hilft bei Haushaltskonsolidierung

Die vietnamesische Regierung setzt die Haushaltskonsolidierung fort. Sie profitiert bei ihren Anstrengungen von einem Wirtschaftswachstum von voraussichtlich rund 6,5% in diesem Jahr. Auch für 2018 wird ein Wachstum auf ähnlichem Niveau erwartet. Es wird zum guten Teil vom steigenden privaten Konsum getragen, der dem Staat wiederum ein deutliches Plus bei den indirekten Steuern beschert. Zur Konsolidierung der Finanzen soll auch die Verschlankung des Staatsapparats beitragen. Beides führt dazu, dass mehr Spielraum für Sozialausgaben und den deutlichen Ausbau der Infrastruktur entsteht.

Die Inflation dürfte im Jahr 2017 bei 4% liegen. Der Vietnamesische Dong wird gegenüber dem US-Dollar voraussichtlich weiter an Wert verlieren und Importe aus Vietnam damit noch attraktiver machen. Das Land profitiert auch davon, dass die Produktionskosten in China steigen und chinesische Unternehmen deshalb verstärkt Produktion nach Vietnam verlagern. Das Lohnniveau in Vietnam beträgt nur ein Drittel dessen in den Wirtschaftszentren Chinas. US-Firmen sind in Vietnam ohnehin bereits sehr engagiert. Auch mehr als 200 deutsche Unternehmen produzieren in Vietnam. Ausländische Investoren schätzen neben den niedrigen Lohnkosten den großen Binnenmarkt und die stabilen Rahmenbedingungen, die Vietnam zu bieten hat. Beim Ease of Doing Business, einem Standortvergleich der Weltbank, ist Vietnam auf dem 82. Platz von 190 ausgewerteten Ländern gut platziert.

Die wichtigsten Außenhandelspartner Vietnams sind China, die USA und Südkorea. Deutschland gewinnt als Außenhandelspartner an Bedeutung. Die Einfuhren aus Vietnam stiegen im Jahr 2016 um 12,5% und beliefen sich auf 9 Mrd USD. Haupteinfuhren aus Vietnam sind Elektronik, Schuhe, Textilien und landwirtschaftliche Produkte. Die Ausfuhren von Deutschland nach Vietnam beliefen sich im Jahr 2016 auf 3 Mrd USD, ein Plus von 30% gegenüber dem Vorjahr. Die wichtigsten deutschen Exportgüter sind Maschinen und chemische Produkte. Angesichts des sehr ehrgeizigen Ziels, Vietnam bis 2020 vom Schwellenland zum „entwickelten Land“ zu machen, sind große Infrastrukturinvestitionen geplant. Vietnam wird drei Sonderwirtschaftszonen aufbauen: Van Don im Norden, Bac Van Phong im Süden und Phu Quoc auf einer Insel nahe Kambodscha. In diesen Gebieten angesiedelte Unternehmen sind von Import- und Exportsteuern sowie von der Mehrwertsteuer befreit. Zudem gelten günstigere Tarife für die Einkommen- und Unternehmensteuer.

Wachstum schafft Nachfrage

Auch für die Zukunft sind in Vietnam hohe Wachstumsraten zu erwarten. Die Regierung wird die Investitionen in verlustbringende staatliche Großkonzerne drosseln und gezielt die Infrastruktur ausbauen – so werden zum Beispiel drei Tiefseehäfen angelegt. Die Verlagerung von Produktion aus China nach Vietnam wird sich fortsetzen, unter anderem auch, da die chinesische Industrie zunehmend komplexere Produkte erzeugt. Vietnams Industrie steht ihrerseits unter Modernisierungsdruck, so zum Beispiel die Bekleidungsindustrie, die für die vietnamesische Wirtschaft von sehr großer Bedeutung ist. Vietnam ist der fünftgrößte Textil- und Bekleidungsexporteur der Welt. Sie muss im internationalen Wettbewerb ihr Fertigungsspektrum erweitern und die Produktivität erhöhen, was die Anschaffung neuer Maschinen erfordert. Unsere Exportkunden konnten von der gestiegenen Nachfrage nach Maschinen und Anlagen „made in Germany“ bereits profitieren. Mit den Einkommen steigen die Konsummöglichkeiten, und das Land wird auch für die Produzenten hochwertiger Konsumgüter ein zunehmend interessanter Markt.

Deutsche Unternehmen müssen Geschäf-te in Vietnam gut vorbereiten, denn viele Gepflogenheiten weichen von den europäischen Gegebenheiten ab. Oft müssen Geschäfte in Vietnam individuell gestaltet werden, um allen Anforderungen gerecht zu werden. Ein verlässlicher lokaler Partner ist in diesem Zusammenhang sehr hilfreich. ODDO BHF ist seit 1987 in Vietnam tätig und seit 1993 als eine der ersten deutschen Banken mit einer Repräsentanz vertreten. Wir arbeiten mit 30 Banken eng zusammen: den vier großen Staatsbanken und 26 Privatbanken. Unser Haus hat zudem traditionell enge Beziehungen zur Zentralbank Vietnams. Die jahrzehntelange Präsenz in Vietnam ermöglicht es uns, Geschäfte bestmöglich abzuwickeln und deutschen Unternehmen die großen Marktchancen, die Vietnam bietet, zu erschließen.

lanphungphuong@bhf-bank.com

 

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