Chemieunternehmen, die Metallindustrie sowie Energieversorger und -händler sind neben der Automobil- und Transportindustrie aufgrund der Beschaffung bzw. des Absatzes von Rohstoffen oder von Produkten daraus vielfältigen und komplexen Risiken aus­gesetzt. Globale Geschäftsmodelle sowie die Umsetzung von gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen erfordern darüber hinaus eine laufende Anpassung der Geschäftsprozesse der Unternehmen.

Von Horst Leonbacher, Fixed Income Sales, Certified Credit Analyst,
Landesbank Baden-Württemberg

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Wesentliche Risikoarten und deren Wechselwirkung

Das Risiko-Exposure hängt entscheidend vom jeweiligen Geschäftsmodell sowie der Marktposition und Marktdurchdringung des Unternehmens ab. Neben Markt- und Bewertungsrisiken sind insbesondere Kontrahenten-, regulatorische sowie bilanzielle und operationelle Risiken zu berücksichtigen. Darüber hinaus haben die Rohstoff- ähnlich den Währungsrisiken zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen finanziellen und nichtfinanziellen Unternehmensrisiken.

Die Berücksichtigung der komplexen Wechselwirkung dieser Risiken untereinander erfordert aus unserer Sicht einen integrierten Risikomanagementansatz sowie eine konsistente und robuste Daten- und Informationsverarbeitung vor allem an den Schnittstellen zwischen Einkauf, Vertrieb, Treasury, Controlling und Rechnungswesen.

Risikokonzepte im Kontext von Rohstoffrisiken unter ­ökonomischem Blickwinkel

Typischerweise werden die geplanten Einkäufe bzw. Verkäufe von Rohstoffen oder Rohstoffprodukten ökonomisch mittels Terminkontrakten, Swaps oder Optionen abgesichert. Bezüglich der Vertragserfüllung wird hierbei zwischen einer physischen Lieferung des Rohstoffs und einem Zahlungsausgleich (Cash-Settlement) unterschieden.

Während für Rohstoffe wie Öl (Rohöl, Heizöl etc.), Erdgas, Basismetalle (Kupfer [CU], Aluminium [AL], Nickel [NI] etc.) und Edelmetalle (Gold, Silber, Platin, Palladium) etablierte und liquide Derivatemärkte existieren, gibt es solche für eine Vielzahl von Rohstoffen und Rohstoffprodukten nicht. Produkte, für die es keine liquiden Terminmärkte gibt (z.B. bestimme Metalllegierungen oder Kerosin) werden daher meist über Basisprodukte wie Basismetalle, Rohöl oder Heizöl abgesichert.

Im Kontext der Risikosteuerung führt bereits die Exposure-Ermittlung häufig zu Schwierigkeiten. Unter den etablierten Ansätzen stehen sich die Steuerung nach pagatorischen Gesichtspunkten, d.h. die Steuerung der Risiken aus Rohstoffzu- bzw. -abflüssen, welche meist über die sog. Cashflow-at-Risk-Methode (CFaR) umgesetzt wird, sowie die Steuerung der bilanziellen Position nach der sog. Earnings-at-Risk-Methode (EaR) gegenüber. Beide Risikokonzepte basieren auf dem fundamentalen Konzept des Value at Risk (VaR), welches in der Regel für die Messung des Bewertungsrisikos eingesetzt wird.

Der Sicherungshorizont orientiert sich wesentlich an der Fristigkeitsstruktur der Grundgeschäfte. Die Sicherungsquoten der geplanten Eindeckung bzw. Verkäufe orientieren sich im Wesentlichen an der Risikoneigung, der Risikotragfähigkeit, der erwarteten Kursentwicklung und Kursvolatilität sowie in entscheidendem Maße an der Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Handelstransaktion (Grundgeschäft).

Sind Geschäfte bereits kontrahiert, so werden diese in der Regel auch erfüllt und in der Folge mit einer eher hohen Sicherungsquote (z.B. 80%) abgesichert. Handelt es sich bei den geplanten Geschäften um mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretende Geschäfte (historische Erfahrung, Wahrscheinlichkeit in der Regel größer als 50%), so ist die anfängliche Sicherungsquote für gewöhnlich niedriger (z.B. nur 50%). Darüber hinaus werden in der Regel Risikopositionen bewusst offengelassen, um die Möglichkeit der Partizipation bzw. eine gewisse Flexibilität bei der Preisbildung beizubehalten.

Neben den klassischen Derivaten zur Vollabsicherung des Transaktionskontraktes gibt es sog. strukturierte Produkte, welche eine Partizipation an der Kursentwicklung des Grundwertes z.B. innerhalb bestimmter Schranken erlauben, so kann eine ­Verbesserung des Budgetkurses erreicht werden. Darüber hinaus gibt es auch im Rohstoffbereich verbreitet klassische Optionsstrategien wie z.B. (Ratio-)Risk-Reversal oder (Zero-Cost-)Collars.

Bei den Sicherungsinstrumenten steht den Treasurern eine breite Palette an Instrumenten zur Verfügung, deren Eignung und Effektivität im Hedgingeinsatz außer von den internen Richtlinien und der ökonomischen Wirkung auch wesentlich von der bilanziellen Wirkung der gesamten Sicherungsbeziehung abhängen. In diesem Kontext sollte der Einsatz von Hedginginstrumenten bei Bilanzierungs- und Bewertungsunterschieden stets auch unter dem Blickwinkel von Hedgeaccounting betrachtet werden.

Handelsrechtliche Rahmen­bedingungen unter IAS 39 und ­Ausblick auf IFRS 9

An das Hedgeaccounting nach IAS 39 werden strenge formale Anforderungen hinsichtlich der Dokumentation und Effektivitätsmessung gestellt, welche zwingend einzuhalten sind. So müssen eine formale Designation und Dokumentation der Hedgebeziehung hinsichtlich Art, Risikomanagementziel, Grund- und Sicherungsgeschäft sowie des abgesicherten Risikos erfolgen. Die prospektive und laufend die retrospektive Effektivität müssen sichergestellt sein. Dies erfordert wiederum eine zuverlässige Bewertung des Grund- und Sicherungsgeschäfts.

Rohstoffrisiken beziehen sich in den meisten Fällen auf nichtfinanzielle Werte. Bezüglich der Bilanzierung der Absicherung nichtfinanzieller Risiken ist IAS 39 sehr restriktiv. Nach IAS 39 können nicht­finanzielle Posten ausschließlich in ihrer Gesamtheit oder bezüglich ihrer Fremdwährungskomponente unter Hedgeaccounting bilanziert werden. So kann ­beispielsweise die Beschaffung einer bestimmten Menge der Ölsorte Brent aus Sicht eines IFRS-Bilanzierers mit der Bilanzwährung Euro entweder lediglich hinsichtlich des USD-Risikos (z.B. mittels Terminkontrakt) oder sowohl gegen das Währungsrisiko als auch gegen das Preisrisiko (z.B. mittels ICE-Futures) abgesichert werden.

Die Absicherung nichtfinanzieller Rohstoffrisiken unter dem Gesichtspunkt der Hedgeaccountingfähigkeit stellt daher unter IAS 39 eine besondere Herausforderung dar. Z.B. ist die Absicherung von Stahllegierungen (NiCr oder CrNiMo etc.) damit nur bezogen auf einen Risikofaktor, z.B. Nickel (Ni), möglich, andere Risikokomponenten bleiben unberücksichtigt. Die Bestimmung der richtigen Hedgequote wird dadurch denkbar schwierig.

Mit der Einführung von IFRS 9 ab dem 1. Januar 2018 werden die formalen Anforderungen an das Hedgeaccounting gerade für Unternehmen mit wesentlichem Rohstoff-Exposure etwas leichter. Durch die Einführung von IFRS 9 werden Bilanzierung und Risikomanagement enger verknüpft. Im Kontext von IFRS 9 können z.B. einzelne Risikokomponenten designiert werden, solange eine verlässliche Quantifizierung und Bewertung der Risiken möglich ist.

Die engere Verknüpfung von Risikomanagement und Hedgeaccounting durch IFRS 9 bringt zwar mehr Flexibilität, aber auch neue Anforderungen. Eine retrospektive Effektivitätsmessung ist z.B. nicht mehr zwingend erforderlich. Das sog. Rebalancing ermöglicht eine flexible Anpassung des Grundgeschäfts- und Sicherungsvolumens innerhalb einer laufenden Sicherungsbeziehung bei einem von 1 abweichenden Hedge-Ratio, ohne die Sicherungsbeziehung auflösen und neu designieren zu müssen.

Allerdings ist gerade das Rebalancing im Kontext von Rohstoffrisiken mit einem erheblichen Aufwand und erhöhten An-forderungen an die Risiko- und Bewertungsmodelle verbunden. Auch die neuen Anforderungen beim Impairment stellen die Unternehmen vor neue Herausforderungen: Die Ablösung des Incurred-Loss-Ansatzes durch den sog. Expected-Loss-Ansatz verlangt die Schätzung des erwarteten Verlusts bereits im Vorfeld und nicht erst bei der Realisierung eines Verlusts. Dieser Ansatz erfordert daher die Berechnung des Kontrahentenrisikos, d.h. der Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default) sowie der Verlustschwere (Loss-given Default) – beides ist mit sehr hohem Aufwand verbunden und hochkomplex.

Fazit

Das Management von Rohstoffrisiken gewinnt aufgrund der steigenden politischen Unsicherheit und anhaltend hohen Marktvolatilität weiter an Bedeutung. Besonders betroffen sind neben der Automobil- und Zulieferindustrie der Maschinenbau sowie die Metall- und Energieindustrie, die häufig noch unter starkem Preis- und Margendruck stehen. Umso wichtiger ist es für die Unternehmen, das Rohstoffrisiko durch ein strategisches Risikomanagement unter Kontrolle zu haben.

Die Etablierung relevanter Prozesse und Modelle im Rahmen des Einkaufs bzw. Vertriebs sowie des Treasuries und Controllings, die eine effiziente Überwachung und Steuerung der Risiken vor allem im Hinblick auf die Einführung von IFRS 9 erlauben, ist daher aus unserer Sicht ein Schlüsselfaktor, um Risiken in einem Umfeld hoher Volatilität effektiv abzufedern.

horst.leonbacher@lbbw.de

 

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