Südkorea hat eine beeindruckende Wachstumsgeschichte geschrieben. Zeitweilig erreichte es Platz 10 unter den Wirtschaftsnationen der Welt. Nun zeigen sich verschiedene strukturelle Probleme. Um sich aus der Schwächephase zu befreien, muss Südkorea noch mehr in Forschung und Entwicklung investieren. Die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen soll stark aus­gebaut werden.

Von Weijun Yin, International Banking, BHF-BANK

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Hat Samsung Probleme, so leidet ganz Südkorea. Der Umsatz des Konzerns steht für rund ein Fünftel des südkoreanischen Bruttosozialprodukts. Entsprechend dramatisch ist es für die gesamte Volkswirtschaft, wenn der Smartphone-Weltmarktführer ein Debakel wie die gescheiterte Einführung des Galaxy Note 7 erlebt. 5 Mrd EUR hat das Fiasko den Mischkonzern gekostet. Jüngst kamen weitere Negativschlagzeilen hinzu: Der Sohn des erkrankten Firmenoberhaupts steht unter Korruptionsverdacht und wurde deshalb verhaftet. Er soll Schmiergelder an eine Vertraute von Präsidentin Park Geun-hye gezahlt haben. Am Beispiel Samsung zeigen sich somit gleich zwei Probleme Südkoreas: die starke Abhängigkeit von einigen wenigen Großkonzernen wie Samsung, Hyundai, LG Group, SK Group, SsangYong und Hanjin sowie die Vetternwirtschaft.

Chaebols dominieren die Wirtschaft

Samsung steht nicht nur für ein Fünftel des Bruttosozialprodukts, sondern auch für 25% des Exports. Die vier größten Konzerne des Landes erwirtschaften rund 90% aller Unternehmensgewinne. In Südkorea werden sie als Chaebols bezeichnet, was so viel wie „reiche Sippen“ bedeutet und sehr große Familienunternehmen mit vielen verschiedenen Sparten umschreibt. Sie galten lange als sehr agil und anpassungsfähig und wurden während der Jahrzehnte der Militärdiktatur als Motoren des südkoreanischen Wirtschaftswunders („das Wunder am Han-Fluss“) betrachtet. Mit dem Staat, der ihre Investitionen finanzierte, Exporte erleichterte und sie vor ausländischer Konkurrenz schützte, waren sie eng verwoben. Schon damals galt: Was gut ist für Samsung, ist gut für Südkorea. So entstand eine enge Verbindung zwischen den Familienkonzernen und der Militärdiktatur – zum Nachteil von Wirtschaftsakteuren, die nicht zu diesem Kreis zählten. Auch wenn die Privilegien der Chaebols offiziell aufgehoben wurden und die Präsidentin – sie ist die Tochter von Park Chung-hee, der das Land rund zwei Jahrzehnte als Militärdiktator regierte – versprochen hatte, die Wirtschaft zu demokratisieren, bleiben die lange gewachsenen Strukturen bestehen.

Viele Südkoreaner sind deshalb trotz eines Wirtschaftswachstums von knapp 3% in den vergangenen Jahren und einer insgesamt sehr niedrigen Arbeitslosigkeit (3,6%) unzufrieden. Vor allem junge Südkoreaner haben es schwer, Arbeit zu finden. Die Preise für Wohnraum sind insbesondere im Ballungsraum Seoul extrem hoch, was mit ein Grund dafür ist, dass die privaten Haushalte von hohen Schulden belastet sind. Die Vermögen sind sehr ungleich verteilt. Der angestaute Unmut war mit ausschlaggebend für die Massenproteste Ende 2016, die schließlich dazu führten, dass das Parlament gegen Präsidentin Park Geun-hye ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet hat.

Starke Industrialisierung und Exportorientierung

Südkorea ist einer der „Tigerstaaten“, denen in den Jahrzehnten seit 1960 eine extrem gute Wirtschaftsentwicklung gelungen ist. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt auf EU-Durchschnitt. Das Land hat einen positiven Haushaltssaldo, die Staatsverschuldung beträgt 39% des BIP, ein im internationalen Vergleich ausgesprochen günstiger Wert. Die Industrie hat etwa ein Drittel Anteil am Bruttoinlandsprodukt und beschäftigt etwa 20% aller Arbeitskräfte. Vor allem (Unterhaltungs-)Elektronik, Kraftfahrzeuge, Schiffe, chemische Erzeugnisse und Stahl werden produziert. Ein weiteres Drittel des BIP geht auf den Dienstleistungssektor zurück. Die südkoreanische Wirtschaft ist stark exportorientiert. Sie führt ein vielfältiges Spektrum an hochwertigen Gütern aus und hat hierfür einen weiten Abnehmerkreis auf der ganzen Welt.

Schiffbaukrise und Abwanderung der Autoindustrie

Die Kennziffern vermitteln den Eindruck einer guten wirtschaftlichen Situation, allerdings wird das Bild von verschiedenen Problemen überschattet. Reedereien und Schiffbauindustrie sind in einer Krise. Vor wenigen Jahren waren Südkoreas Werften noch Weltmarktführer beim Bau riesiger Containerfrachter, Öl- und Gastanker. Inzwischen bestehen Überkapazitäten, China hat sich als starker Konkurrent etabliert. Viele Schiffbauunternehmen sind überschuldet, die Ausrüstung ist zum Teil veraltet. Im Schiffbau werden wohl Zehntausende Arbeitsplätze verlorengehen. Hanjin Shipping, eine der größten Reedereien der Welt, musste Insolvenz anmelden. Die Krise der Schiffbauer belastet ihrerseits Stahlindustrie und Finanzsektor. Staatsbanken haben den angeschlagenen Werften Milliardenhilfen gewährt.

In der Autoindustrie zeichnet sich ein Trend zur Abwanderung ins Ausland ab. Im Jahr 2016 haben Hyundai und Kia zwei große Werke in China und Mexiko eröffnet. Das neue Hyundai-Werk in Changzhou soll künftig als „Smart Factory“ mit der höchsten Produktivitätsrate innerhalb der Hyundai-Gruppe glänzen. Für 2017 plant der Konzern sogar, noch ein weiteres Werk, in Chongqing, zu eröffnen. Gründe für diese Auslagerungswelle sind neben der schwachen Binnenkonjunktur überwiegend die hohen Lohnkosten und die im internationalen Vergleich niedrige Produktivität. Nach Aussagen von Branchenverbänden liegen die Löhne der Arbeiter der südkoreanischen Automobil­industrie mindestens auf dem gleichen Niveau wie in Deutschland oder den USA.

Die zunehmende Abwanderung von Fabriken schlägt sich selbstverständlich auf die Produktionszahlen der gesamten Volkswirtschaft nieder. Laut Statistik der Zentralbank (Bank of Korea) lag der Anteil der Auslandsfertigung der verarbeitenden Industrie 2005 noch bei 6,7% und erhöhte sich im Jahr 2014 bereits auf 18,9%. Bald dürfte der Anteil demzufolge bereits 20% erreichen, mit weiter steigendender Tendenz. Interessanterweise ist China dabei gar nicht mehr die Primärdes-tination, weil auch dort die Lohnkosten deutlich angezogen haben. Die Industrie hat vor allem Vietnam als neuen Standort entdeckt. Schätzungen zufolge produziert Samsung dort bereits 40% bis 50% seiner Smartphones. Auch andere Firmen wie LG planen eine Konzentration ihrer Aktivitäten in Vietnam.

Chancen für deutsche Unternehmen

Trotz dieser kritischen Aspekte bleibt Südkorea für Unternehmen aus Deutschland ein interessanter Exportmarkt. Südkorea ist einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Deutschlands in Ostasien und nach China der wichtigste deutsche Exportmarkt in der Region. Für Südkorea ist wiederum Deutschland der bedeutendste Handelspartner in Europa. Das Handelsvolumen betrug 2015 rund 27 Mrd USD. Zudem zählen Unternehmen aus Deutschland zu den führenden europäischen Investoren im Land. Rund 500 deutsche Unternehmen sind in Südkorea engagiert.

Nach einer im Januar 2017 veröffentlichten Umfrage der Deutsch-Koreanischen Industrie- und Handelskammer steht die Wirtschaft Südkoreas vor einem umfassenden Modernisierungsprozess. Die Unternehmen des Landes werden demnach verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren müssen, um wieder einen deutlichen Qualitätsvorsprung vor Konkurrenten etwa aus China zu gewinnen. Hieran anknüpfend, bieten sich für deutsche Hersteller von Investitionsgütern im Hightechsegment hinreichende Chancen.

Besondere Aufmerksamkeit sollten Hersteller und Betreiber aus dem Bereich der erneuerbaren Energien dem südkoreanischen Markt widmen. Südkorea will seine Kapazitäten bei Solar-, Bio- und Windenergie, Geothermie und Wasserkraft so ausbauen, dass sie bis 2035 etwa ein Fünftel des Energiebedarfs decken können. Bei der Biogaserzeugung sind Unternehmen aus Deutschland bereits ins Geschäft gekommen.

Südkorea ist wegen seiner langen Küsten ein sehr interessanter Standort für Windkraftanlagen. Die Investition in Windkraftanlagen wird staatlich gefördert, die Technik fast durchweg im Ausland eingekauft, so dass die Türen für Unternehmen aus Deutschland offenstehen. Die BHF-BANK kann als erfahrener Partner in der Außenhandelsfinanzierung bei der Verwirklichung von Geschäftsplänen zum Beispiel mit Hermes-gedeckten Finanzierungen oder Akkreditivbestätigungen zur Seite stehen.

Kontakt: weijun.yin@bhf-bank.com

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