Während der deutsche Export 2016 insgesamt nur schwach zulegte, konnten in den östlichen Mitgliedstaaten der EU deutliche Zuwächse erzielt werden. Dort erfreuen sich nicht nur Investitionsgüter und Vorprodukte für die dortige Industrie wachsender Beliebtheit. Auch langlebige Konsumgüter werden dank wachsender Kaufkraft stärker nachgefragt. Der neueste MarktMonitor von Atradius widmet sich unter anderem der Entwicklung in Polen und Ungarn – mit folgenden Ergebnissen:

Von Gunther Schilling, Leitender Redakteur ExportManager,
FRANKFURT BUSINESS MEDIA

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Familienförderung in Polen

Ein neues Förderprogramm für den Familienzuwachs in Polen hat der dortigen Konsumnachfrage einen kräftigen Schub verliehen: Die Einzelhandelsumsätze in Polen stiegen im vergangenen Jahr nach Angaben des Polnischen Statistikamtes um 5,7% gegenüber dem Vorjahr. Die Verkäufe von Möbeln und Haushaltsgegenständen erhöhten sich sogar um 9%.

Seit Mitte 2016 erhalten Familien für das zweite und alle weiteren Kinder eine monatliche Zahlung von 500 Zloty (rund 115 EUR) bis zu deren Volljährigkeit. Setzt sich das kräftige Wachstum der Wirtschaft und des privaten Konsums mit Raten von über 3% fort, dürfte das Programm 2017 seine volle Wirkung auf den Kauf langlebiger Konsumgüter entfalten.

Allerdings gibt es auch dämpfende staatliche Einflüsse: So geraten die Einzelhändler stärker ins Visier der Steuerbehörden. Denn die Fahnder gehen insbesondere im Bereich IT und Unterhaltungselektronik schärfer gegen Steuerhinterziehung vor, um die Steuereinnahmen zu erhöhen und damit die Belastungen des Staatshaushalts durch die Familienförderaung und weitere Ausgabenprogramme der Regierung auszugleichen.

Die Zahlungsfristen liegen im Durchschnitt bei 60 Tagen. „Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede in den einzelnen Teilbranchen“, erläutert Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa von Atradius. „Diese sind beträchtlich: Während Abnehmer aus der Elektronikbranche durchschnittlich nach 30 Tagen bezahlen, dauert es im Segment Große Haushaltsgeräte rund 180 Tage, bis ein Lieferant sein Geld erhält.“ Insgesamt aber traten im vergangenen Jahr relativ wenige Fälle von Zahlungsverzögerungen oder Insolvenzen auf, was voraussichtlich auch 2017 so bleiben dürfte.

Preiskampf in Ungarn

Zunehmende Beschäftigung und niedrige Inflation haben die Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern in Ungarn belebt. Während der private Verbrauch 2016 um 4% zulegen konnte, wuchs der Einzelhandelsumsatz ohne Nahrungsmittel um 6,8%. Diese Entwicklung wird sich 2017 voraussichtlich auf einem etwas niedrigeren Niveau fortsetzen.

Auf dem ungarischen Markt herrscht ein starker Preiswettbewerb, da Onlineverkäufe an Bedeutung gewinnen. Der Umsatz im Onlinehandel erhöhte sich 2016 um 24% und machte bereits 3,9% des Gesamtumsatzes im Einzelhandel aus.

Ebenso wie in Polen betragen die Zahlungsfristen in Ungarn durchschnittlich 60 Tage. Die Zahlungsverzögerungen bleiben zwar stabil, doch im Möbelhandel ist ein besorgniserregender Trend erkennbar, da 3% der Forderungen erst mit einer Verzögerung von mehr als 90 Tagen beglichen werden. Die Zahl der Insolvenzen liegt nicht höher als in anderen ungarischen Branchen, und ein Anstieg ist für 2017 nicht zu erwarten.

Auch in Ungarn spielt das Thema Steuerhinterziehung eine Rolle. Mit einem Satz von 27% ist die ungarische Umsatzsteuer eine der höchsten der Welt. „Vorsicht ist angeraten, wenn sich im Umfeld des ­Käufers ungewöhnliche Dinge ereignen, wie beispielsweise plötzliche Wechsel des Namens, der Eigentümer oder des Managements, hohe Dividendenzahlungen, verdächtiges Wachstum des Umsatzes oder der Profitabilität“, erläutert Dr. Thomas Langen.

gunther.schilling@frankfurt-bm.com

 

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