Schwer getroffen von der gebremsten Dynamik in China und den gefallenen Rohstoffpreisen, zeigen die afrikanischen Länder südlich der Sahara ihr schwächstes Wachstum seit 2008. Dennoch haben 15 – auch von Krisen geplagte – Länder gutes Potential hinsichtlich ihrer künftigen Entwicklung. Besonders zwei Sektoren bieten dort neben den Rohstoffbranchen mittelfristig Chancen: der Einzel­handel und die Informations- und Kommunikationstechnik. Deren Potential hat Coface in einem neuen Panorama untersucht.

Von Dr. Mario Jung, Senior Regional Economist, Coface

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Kontinent leidet derzeit unter schweren wirtschaftlichen Problemen

Die Weltwirtschaft ist in Turbulenzen. Die Abschwächung in China und die gefallenen Rohstoffpreise schlagen auch auf die wirtschaftlichen Fundamente der Länder südlich der Sahara durch. Das Wachstum zeigt mit voraussichtlich 2,6% in diesem Jahr nach 3,4% im Jahr 2015 den schwächsten Wert für die Region seit 2008. Rohstoffexportierende Länder waren zu schnellen Maßnahmen gezwungen, um die wachsenden externen Risiken zu begrenzen. Viele dieser Länder haben versucht, den Wechselkurs ihrer Währungen gegenüber dem US-Dollar stabil zu halten, allerdings mit wenig Erfolg. Einige Länder reduzierten ihre Ausgaben, um die Staatshaushalte zu schonen. Doch die Stärke der Krise hat die anhaltenden, auch strukturellen, Probleme verschärft und die Anfälligkeit erhöht.

Zwischen 2013 und heute verlangsamte sich vor allem in stark rohstoffabhängigen Ländern die Wirtschaftsaktivität: zum einen in den ölexportierenden Ländern Angola, Nigeria, Äquatorial-Guinea, Demokratische Republik Kongo, Tschad und Gabun, zum anderen in Südafrika, Liberia, Ghana und Sambia, die ebenfalls Rohstoffe exportieren. Angola und Kongo sind zudem stark auf Handelsgeschäfte mit China konzentriert. Fast die Hälfte aller Exporte geht dorthin. Zu den externen Faktoren kommen inländische Probleme hinzu. So erweist sich die Elektrizitätsversorgung in Südafrika als Flaschenhals nicht nur für die industrielle Produktion. Sicherheitsprobleme machen der Wirtschaft in Angola zu schaffen. So sind beileibe nicht allein die fallenden Rohstoffpreise und die gebremste Dynamik in China Ursachen für anhaltende Probleme in vielen Ländern südlich der Sahara.

Kurzfristig ist nicht mit einem deutlich höheren Wachstumstempo zu rechnen. Zur steigenden Inflation, die auch die privaten Ausgaben bremsen dürfte, kommen eher stockende staatliche Investitionen als Bremse hinzu. Auch Investitionen aus dem Ausland werden kurzfristig kaum anziehen. Im Gegenteil: In den ersten vier Monaten gingen die ausländischen

Direktinvestitionen in Nigeria im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um die Hälfte zurück. Auch die Finanzierungs- und Kreditprobleme – hohe Kosten und mangelnder Zugang zu Krediten – werden anhalten. Trotz der Problembündel und großen Ungleichgewichte auf dem Kontinent und in den einzelnen Ländern zeigen unter anderem die Potentiale für Konsumausgaben, dass einige Länder mittelfristig einen Aufschwung schaffen und sich zu profitableren Märkten entwickeln könnten.

Weisen Verbraucher den Weg?

Die Ausgaben der privaten Haushalte gingen 2015 in den rohstoffexportierenden Ländern teilweise stark zurück – in Nigeria und Sambia zum Beispiel um über 20%. Dazu trug die hohe Inflation bei, die in Nigeria an die 10%, in Sambia über 20% betrug. Schon jetzt spielt der Endverbraucher aber eine große Rolle in den Volkswirtschaften südlich der Sahara, wenn auch in einer anderen Ausprägung als etwa in Europa oder Amerika. Im Durchschnitt aller Subsahara-Länder machen Ausgaben der private Haushalte etwa zwei Drittel des BIP aus. In manchen Ländern ist der Anteil noch größer: in Nigeria 71%, in der Demokratischen Republik Kongo 71,5%, in Kamerun 77%. Mehr als 60% sind es auch in Südafrika, Ghana und der Elfenbeinküste.

Wie sehen aber die mittelfristigen Perspektiven in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren aus? Und welche Branchen haben Aussicht auf Wachstum? Coface hat 55 afrikanische Länder auf ihr Potential für steigenden Konsum hin untersucht und anhand von zwei Hauptkriterien, Demographie und Haushaltseinkommen, ein Ranking der Länder erstellt. 15 davon zeigen Potential für eine ordentliche Steigerung der Verbraucherausgaben: Gabun, Botswana, Namibia, Südafrika, Nigeria, Äthiopien, Elfenbeinküste, Mosambik, Tansania, Senegal, Demokratische Repu-blik Kongo, Ghana, Kenia, Ruanda, Angola. In dieser Ländergruppe sind die wichtigsten Ölexporteure (Gabun, Nigeria, Angola) und einige Exportländer von anderen Rohstoffen, vor allem von Mineralien (Botswana, Namibia, Ghana, Südafrika), vertreten.

Die Demographie liefert einen Maßstab für die potentielle Größe eines Marktes auf lange Sicht. Und da bietet gerade der afrikanische Kontinent aussichtsreiche Perspektiven, auch wenn man die damit verbundenen Probleme wie Armut, unzureichende Bildung und schiefe Einkommensverteilung nicht außer Acht lassen darf. Die UN schätzt, dass die Bevölkerung in Subsahara-Afrika bis 2025 auf 1,2 Milliarden Menschen wachsen wird. Im Vergleich zu den Industrieländern wird auch in der Zukunft der Anteil junger, erwerbsfähiger Personen hoch sein. Ein weiterer Aspekt, der die Potentiale afrikanischer Länder untermauert, ist der ungebremste Urbanisierungstrend: In den Städten der Subsahara-Länder werden um das Jahr 2025 mehr als 50% der Gesamtbevölkerung leben. Die Pro-Kopf-Einkommen der Länder werden daher steigen, weil in den Städten mehr verdient werden kann als auf dem Land. Infolgedessen werden auch die Ausgaben für die Infrastruktur ausgeweitet.

Wie setzt sich der Konsum ­zusammen?

Klar ist, dass sich der „Warenkorb“ für den typischen Konsumenten in ärmeren Ländern anders zusammensetzt als etwa in Europa. In den 15 ermittelten Ländern stehen Ausgaben für Lebensmittel ganz oben auf der Liste. Dafür werden 46% des Geldes verwendet, für Wohnen 14% und für Transport 9%. Dabei zeigt sich, dass gerade der Anteil für Essen und Trinken in ärmeren Ländern weitaus höher ist als in reichen Ländern wie beispielsweise Deutschland. Auch wenn das BIP pro Kopf in den afrikanischen Ländern allmählich steigen dürfte, bleibt es relativ niedrig, und die Aufwendungen für Lebensmittel werden weiter einen großen Anteil am privaten Haushaltsbudget ausmachen. Von daher ist der finanzielle Spielraum der Verbraucher – neben der reinen potentiellen Marktgröße nach Anzahl der Einwohner – ein entscheidendes Kriterium für die Chancen von Anbietern im Einzelhandel.

In allen Subsahara-Ländern lebt derzeit ein großer Teil der Menschen von Einkommen unter der von der Weltbank definierten Armutsgrenze von 1,90 USD am Tag. Nur in Südafrika erreicht die Bevölkerung im Schnitt über 10 USD am Tag. In den meisten Ländern teilt sich die Bevölkerung nach Einkommen in nur zwei Klassen: Sie leben entweder unter der Armutsschwelle oder haben zwischen 2 und 10 USD täglich zur Verfügung. Entscheidend für eine Branche wie den Einzelhandel wird es sein, wie und vor allem auch wie schnell sich diese Situation verbessert. In einigen Ländern gibt es immerhin eine leichte Besserungstendenz. Der Anteil der Menschen mit weniger als 2 USD pro Tag durchschnittlichem Einkommen ist unter die 50%-Marke gefallen. Das gilt für Nigeria und Angola, besonders aber für Südafrika und Ghana. So könnte sich in einigen Ländern der Einzelhandel weiter entwickeln – langsam zwar, konzentriert auf die Stadtzentren und längst nicht für alle Bevölkerungsschichten relevant. Die positive Tendenz indes ist erkennbar.

Um das künftige Ausgabenpotential der Haushalte zu berechnen, hat Coface die tatsächlichen Verbraucherausgaben 2014, eine Hochrechnung des jährlichen durchschnittlichen Wirtschaftswachstums für die Jahre von 2015 bis 2025 sowie die für 2015 prognostizierte Wirtschaftsleistung pro Kopf herangezogen.

Einzelhandel und ITK haben Chancen in Nigeria, Angola, Ghana und Südafrika

Der Einzelhandel, der trotz der aktuellen wirtschaftlichen Probleme weiter zulegt, hat insgesamt großes Wachstumspotential. Der zunehmende „Wohlstand“ könnte Nachfrage und Angebot in Richtung höherwertiger Produkte entwickeln. Auch die Entwicklung der Infrastruktur spielt für den Handel eine wichtige Rolle. Das zeigt sich in Südafrika, das weltweit unter den Ländern mit den meisten Shoppingcentern auf Platz 6 liegt. Auch in Nigeria, Angola und Ghana ist das Verbraucherpotential erkennbar. So bieten sich Chancen für Unternehmen, vor allem im Einzelhandel. Mit einer Konsumexplosion ist freilich nicht zu rechnen, denn die Hauptausgaben werden vorerst auch weiterhin für Lebensmittel getätigt. Die Diversifizierung der Verbrauchsausgaben und damit auch der Absätze von Unternehmen wird langsam vonstatten gehen.

Die Informations- und Kommunikationstechnologie hat großes Potential zur Ausweitung. Die Ausstattung der Haushalte ist noch relativ gering, und die über Mobilgeräte verfügbaren Services steigen rasant. Neue Technologie ist zudem eine wichtige Voraussetzung und Möglichkeit zur Diversifizierung der Wirtschaft. Auch für die ländliche Bevölkerung bietet die mobile Kommunikationstechnologie Zugang zu Services, die sie sonst nicht hätten – immer unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit und Finanzierbarkeit.

Fazit

Die Wachstumskurve der Länder südlich der Sahara kann von wirtschaftlichen Krisen und politischen Themen gedrosselt werden. Auch die weiter existierenden Schwächen, vor allem die mangelhafte Infrastruktur, Governance-Mängel, politische Instabilität und soziale Ungleichgewichte, dürfen nicht ignoriert werden. Der Gegenwind von der globalen Wirtschaft – aber auch von hausgemachten Problemen – wird kurzfristig sicherlich anhalten, auch wenn sich die Rohstoffpreise seit Jahresbeginn einigermaßen stabilisiert haben. Mittelfristig bieten die afrikanischen Länder allerdings gutes Chancenpotential für Unternehmen – vor allem für solche, die bestimmte Risiken einzugehen bereit sind.

Kontakt: mario.jung@coface.com

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