Geldwäscheaktivitäten nehmen weltweit zu. Drogenhandel, Terrorismusfinanzierung und Menschenschmuggel sind einige der Hauptursachen dafür. Eine für Kriminelle zunehmend beliebte Methode, Geld zu waschen, ist der Außenhandel. Das führt insbe­sondere für Banken zu Compliance- und Reputationsrisiken. Sylvia Röhrig sprach mit Henry Balani, Global Head of Strategic Affairs, Accuity, darüber, wie die handelsbasierte Geldwäsche funktioniert und welche Maßnahmen dagegen ergriffen werden können.

Von Sylvia Röhrig, Redakteurin ExportManager, und Henry Balani, Global Head of Strategic Affairs, Accuity

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Herr Balani, Gesetzgeber und Regulatoren stehen vor großen Herausforderungen, weil die Geldwäschemethoden immer komplexer und schwieriger zu durchschauen sind. Untersuchungen zeigen, dass in jüngerer Zeit die handelsbasierte Geldwäsche die am meisten verbreitete Methode ist, illegal erworbene Geldmittel in den legalen Finanzkreislauf zu bringen. Wie funktioniert die handelsbasierte Geldwäsche, und warum gewinnt sie an Bedeutung?

Es gibt für Kriminelle viele Wege, Geld zu waschen, aber viele der klassischen Geldwäschekanäle sind inzwischen leicht aufzudecken und somit nicht mehr attraktiv. Der internationale Handel bietet aufgrund der zunehmenden Komplexität der Waren- und Geldströme viele Möglichkeiten, Transaktionen durchzuführen und Geld zu waschen – und das unter einem völlig legalen Deckmantel.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein klassisches Beispiel in Amerika ist der Drogenhandel von Mexiko in Richtung USA. Wenn die illegal über den Drogenverkauf erzeugten Einnahmen auf dem US-Markt zurück nach Mexiko fließen sollen, wird das z.B. über ein legales Exportgeschäft gemacht. Der Exporteur in Mexiko liefert Waren in Höhe von 1 Mio USD. Der US-amerikanische Importeur erhält eine Rechnung über 10 Mio USD. Mit Hilfe der Überfakturierung werden in diesem Fall scheinbar völlig legal 9 Mio USD nach Mexiko transferiert. Importeur und Exporteur stecken entweder unter einer Decke, oder hinter den Firmen verbirgt sich ein und dieselbe Person.

Die Ausstellung von Rechnungen mit zu geringen oder zu hohen Preisen für Warenlieferungen hat sich inzwischen als eine der beliebtesten Techniken der Geldwäsche herausgebildet. Denn durch die falsche Angabe des Preises kann zwischen dem Importeur und dem Exporteur ein Mehrwert übertragen und somit Geld in großen Mengen gewaschen werden.

Wenn solche Geldwäscheaktivitäten unter legalem Deckmantel stattfinden, wie können sie aufgedeckt werden, wer ist dafür zuständig, und welche Risiken bestehen insbesondere für Banken?

Alle in einem Handelsgeschäft involvierten Akteure – Exporteure, Importeure, Zollbehörden, Logistiker und Banken – sind angehalten, Geldwäscheaktivitäten zu verhindern, das ist in ihrem Interesse, allein schon um gesetzestreu zu handeln und Reputationsschäden zu vermeiden.

Viele Banken sind sich aber der Risiken noch nicht richtig bewusst. Wenn z.B. eine Bank ein Handelsgeschäft über ein Akkreditiv finanziert, wird sie nach den ERA-600-Regeln der Internationalen Handelskammer sehr genau die Richtigkeit der vorgelegten Dokumente prüfen. Was die Bank in der Regel aber nicht macht, ist die Mengen und die Preise der gehandelten Güter auf Plausibilität hin zu überprüfen. So kann es passieren, dass sie ein Geschäft finanziert, das eigentlich Geldwäsche zum Ziel hat. Deswegen ist es wichtig, dass das Bewusstsein für diese Art von Aktivitäten bei den involvierten Akteuren geschärft wird.

Gibt es Länder, die bereits Schritte in diese Richtung unternommen haben?

Die Initialzündung für eine Sensibilisierung des Themas wurde 2013 von Großbritannien gegeben. Die britische Finanzaufsichtsbehörde (Financial Conduct Authority, FCA) stellte damals fest, dass die Banken zwar über gute Methoden verfügten, sanktionierte Individuen und Unternehmen zu identifizieren, die Verfahren zur Eindämmung von Geldwäscherisiken allerdings noch schwach entwickelt seien. Die Währungshüter erarbeiteten daraufhin eine Richtlinie für die Banken, mit dem Ziel, den Missbrauch des grenzüberschreitenden Handels für Geldwäschezwecke zu beschränken.

In jüngerer Zeit ist das Thema auch in Ländern Asiens aufgegriffen worden. Vorreiter im Kampf gegen die handelsbasierte Geldwäsche sind Singapur und Hongkong. In beiden Stadtstaaten haben die obersten Währungshüter Richtlinien erlassen, die die Banken dazu anhalten, bei der Prüfung der Kunden und der Dokumentation auch die Warenmengen bzw. Leistungen und Preise auf Unstimmigkeiten hin zu untersuchen. In Singapur und Hongkong hat der Außenhandel einen besonders hohen Anteil an der Wirtschaftsleistung – die Stadtstaaten haben ein großes Interesse daran, für eine gute Reputation ihrer Märkte zu sorgen.

Braucht man neue Gesetze, um diese Geldwäscheaktivitäten einzudämmen?

Ein regulatorischer Overkill könnte den Handel zu sehr hemmen. Deswegen dürfte die Vorgehensweise der genannten Staaten angemessen sein. Die Richtlinien nennen klassische Anhaltspunkte (sogenannte Red Flags) für den Verdacht auf Geldwäsche, auf die die Banken achten sollten, und geben bewährte Vorgehensweisen vor.

Ist handelsbasierte Geldwäsche auch im Handel zwischen China und Hongkong verbreitet?

Ja, aber die Motivation ist in diesem Fall eine andere. Dort geht es vor allem darum, dass Unternehmen und Privatpersonen versuchen, die strengen Kapitalverkehrskontrollen von Festlandchina zu umgehen. Sie nutzen den Handel, um mehr Kapital zu exportieren, als offiziell erlaubt ist. Dieses wird außerhalb Chinas in Beteiligungen und Immobilien investiert. Aber auch dieses Vorgehen ist nicht gesetzestreu und somit als Geldwäsche anzusehen.

Das Thema Geldwäschebekämpfung ist auch in der Europäischen Union schon lange auf der Agenda. Im Mai 2015 wurde die 4. EU-Geldwäscherichtlinie verabschiedet. Die EU-Mitgliedstaaten werden diese bis Juni 2017 in nationales Recht umsetzen. Wird das Thema handelsbasierte Geldwäsche in der EU-Richtlinie behandelt?

Dieses Thema steht dort nicht im Fokus. Die 4. EU-Geldwäscherichtlinie bringt zwar wichtige Veränderungen, die die Personenprüfungen noch weiter verschärfen werden, wie z.B. die Einführung eines zentralen Registers für wirtschaftlich Berechtigte. Zudem dürfen Banken beim Screening von politisch exponierten Personen (PEPs) sich nicht mehr allein auf Ausländer beschränken, sondern müssen mit der gleichen Sorgfalt inländische PEPs prüfen. Vorgesehen sind auch besondere Berichtspflichten hinsichtlich verdächtiger Transaktionen ihrer Kunden.

Doch die Sensibilisierung hinsichtlich des steigenden Missbrauchs des Außenhandels für Geldwäschezwecke scheint mir in Europa noch in den Anfängen zu stecken. Dabei dürfte sich insbesondere Deutschland, als bedeutende Handelsnation, in Zukunft stärker darum kümmern müssen. Das florierende Schleppergeschäft in Verbindung mit den Flüchtlingen aus den Kriegs- und Konfliktgebieten Nordafrikas und des Nahen Ostens lässt vermuten, dass die handelsbasierte Geldwäsche in Europa und insbesondere in Deutschland an Bedeutung gewinnen wird.

Kontakt: raimund.kaufmann@accuity.com, 069/2475689101

 

Textkasten

Ausgewählte „Red Flags“ oder besondere Anhaltspunkte für handelsbasierte Geldwäsche

Erhebliche Unstimmigkeiten zwischen dem auf der Rechnung eingetragenen Warenwert und dem angemessenen Marktwert der Ware.

Die vom Kunden gewünschte Zahlungsart steht offenbar im Widerspruch zu den Risikomerkmalen der Transaktion.

Der Umfang der Lieferung steht offenbar im Widerspruch zum Umfang der üblichen Geschäftstätigkeiten des Exporteurs/Importeurs.

Eingehende Überweisungen auf mehrere Konten sowie ausgehende Zahlungen von mehreren Konten für Handelsgeschäfte ein und derselben Firma.

Benutzung von Akkreditiven, um Geld zwischen Ländern zu transferieren, wo ein solcher Handel unter normalen Umständen nicht stattfinden würde bzw. im Widerspruch zu der üblichen Geschäftstätigkeit des Kunden steht.

Die Art der gelieferten Waren steht offenbar im Widerspruch zu den üblichen Geschäftstätigkeiten des Exporteurs/Importeurs.

Die Transaktion umfasst die Benutzung von mehrfach geänderten bzw. verlängerten Akkreditiven.

Quelle: BKA, FIU-Newsletter, Nr. 12, September 2015. (Die Anhaltspunkte stammen aus dem Typologie­projekt Trade Based Money Laundering der FATF – Financial Action Task Force on Money Laundering).

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