Wenn europäische Rüstungshersteller bei internationalen Rüstungsprojekten mit US-Rüstungsherstellern kooperieren wollen, kann es sehr weitreichende Beschränkungen geben. Welche Konsequenzen nach US-Exportrecht hat es also, wenn ein europäischer Rüstungshersteller für die Kooperation einen Know-how-Transfer von einem US-Hersteller haben will? Oder welche Konsequenz nach US-Recht kann sich daraus ergeben, dass ein US-Amerikaner für die Entwicklung der deutschen Rüstungsgüter zuständig ist?

Von PD Dr. Harald Hohmann und Rafik Ahmad, Rechtsanwälte und Partner, Hohmann & Partner

Know-how-Transfer aus den USA

Im ersten Ausgangsfall möchte das deutsche Unternehmen D gemeinsam mit dem französischen Unternehmen F und dem US-Unternehmen U ein internationales Rüstungsprojekt durchführen. Hierfür sind D und F von einem Know-how-Transfer des U abhängig. Zu diesem Zweck erhalten D und F von U ein Dokument übersandt, das als Technical Assistance Agreement („TAA“) bezeichnet ist. D und F möchten wissen, ob dieser Know-how-Transfer nach US-Exportrecht genehmigungspflichtig ist, welche rechtliche Bedeutung dieses TAA hat und welche rechtlichen Konsequenzen es für die künftigen Tätigkeiten von D und F haben wird, insbesondere: Dürfen D und F später die auf der Basis dieses US-Know-hows entwickelten oder hergestellten Rüstungsgüter ohne US-Genehmigung an ein Unternehmen in Österreich liefern?

Genehmigungspflicht

Für Rüstungsgüter sind nach US-Exportrecht die ITAR (International Traffic in Arms Regulations) des State Departments zu berücksichtigen. Nach ihrem § 124.1 (a) ist die Zustimmung des DDTC (Directorate of Defense Trade Controls) erforderlich, bevor „Defense Services“ erbracht werden dürfen. Demnach besteht eine Genehmigungspflicht des DDTC, sofern der Know-how-Transfer des U bzgl. Rüstungsgütern „Defense Services“ darstellt. Unter „Defense Services“ fallen nicht nur die Unterstützung bei Design, Entwicklung und Montage etc. eines Rüstungsgutes für einen Ausländer, sondern auch das Zurverfügungstellen technischer Daten im In- oder Ausland an Ausländer oder die militärische Schulung ausländischer Militärgruppen (vgl. § 120.9 ITAR).

Letztlich handelt es sich um Sachverhalte, die in Deutschland entweder als „technische Unterstützung“ oder als Technologietransfer bezeichnet werden. Somit ist dieser Know-how-Transfer genehmigungspflichtig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es um die Weitergabe von technischen Unterlagen („Technical Data“) geht – hierzu zählen alle Pläne, Zeichnungen etc., die für die Entwicklung, Produktion etc. von Rüstungsgütern notwendig sind (außer „Public Domain Data“) –, ergibt sich die Genehmigungspflicht des DDTC aus § 124.3 ITAR (statt aus § 124.1 ITAR).

Bedeutung des TAA

Um eine solche Genehmigung des DDTC für US-Rüstungsdienstleistungen oder die Weitergabe von US-Rüstungstechnologie zu erhalten, muss das US-Unternehmen U dem DDTC die geplante Vereinbarung vorlegen, aus der sich die Reichweite des Know-how-Transfers und die beteiligten Unternehmen ergeben und in dem bestimmte Klauseln enthalten sein müssen (vgl. § 124.8 ITAR). Diese Vereinbarung wird, nachdem sie vom DDTC genehmigt worden ist, als TAA bezeichnet. Demnach stellt das TAA eine mögliche Form der US-Exportgenehmigung für diese Rüstungsdienstleistung dar, wobei die geplante Transaktion in dieser Vereinbarung zugleich beschrieben wird. Erst wenn auch D und F das TAA unterzeichnen, wäre dieser Know-how-Transfer von U an D und F nach US-Exportrecht in dem im TAA genannten Umfang zulässig.

Rechtliche Folgewirkungen des TAA

Allerdings sind hier mindestens zwei Folgewirkungen zu berücksichtigen, die stichwortartig mit „Offenbaren nur an bestimmte Staatsangehörige“ und mit „Genehmigungspflicht aller hieraus entwickelten Rüstungsgütern“ bezeichnet werden sollen.

Erstens dürfen D und F die im TAA ge-nannte Technologie nur solchen Arbeitnehmern gegenüber offenbaren, deren Staatsangehörigkeit im TAA genannt wurde, weil sonst ein nicht genehmigter Transfer von „Defense Services“ stattfinden würde. Demnach muss die Staatsangehörigkeit sämtlicher betroffenen Arbeitnehmer von D und F im TAA genannt oder nachträglich ergänzt werden, um einen Verstoß gegen US-Exportrecht zu vermeiden. Ein Sonderproblem stellt eine evtl. abweichende frühere Staatsangehörigkeit der Arbeitnehmer dar.

Zweitens sind die rechtlichen Konsequenzen aus der Regelung des § 124.8 Abs. 5 ITAR zu beachten, nach der sämtliche Rüstungsgüter, die auf der Basis der im TAA genannten US-Rüstungsdienstleistungen oder US-Rüstungstechnologie entwickelt oder hergestellt werden, nicht an Personen in Drittländern oder an Ausländer eines Drittlandes im Inland geliefert werden dürfen ohne eine vorherige Genehmigung des DDTC. Selbst bei Rüstungsgütern „made in the EU“, die keinerlei US-Komponenten beinhalten, wäre – zusätzlich zu einer deutschen bzw. französischen Exportgenehmigung – noch eine US-Exportgenehmigung erforderlich, nur weil sie auf der Basis der US „Defense Services“/„Technical Data“ entwickelt oder hergestellt werden. Dies ist zwar im Zweifel völkerrechtlich angreifbar, weil das erforderliche Verbindungsstück zum US-Recht fehlen dürfte, zumindest wenn keine US-Amerikaner involviert sind und keine US-Rüstungstechnologie bei Herstellung der nichtamerikanischen Rüstungsgüter verwendet wurde.

Aber dennoch gilt: Solange keine erfolgreiche Nichtigkeitsklage durch ein betroffenes Unternehmen eingelegt wird, ist diese Norm aus US-Sicht geltendes Recht und somit – zwecks Vermeidung von US-Sanktionen – zu beachten, ohne dass für EU-Bürger zur Abwehr etwa die Antiboykott-Verordnung (EG-Verordnung 2271/ 96) o.Ä. zur Verfügung stünde. Sofern D und F diese hieraus entwickelten Rüstungsgüter nach Österreich weiterliefern, ohne vorher eine US-Genehmigung eingeholt zu haben, haben sie einen Verstoß gegen US-Exportrecht begangen. Hier drohen selbst bei fahrlässigem Verhalten Geldbußen bis zu 500.000 US$ (oder fünffacher Lieferwert) – bei Vorsatz bis zu 1 Mio US$ – pro Verstoß und der Entzug der Exportprivilegien (debarment) bis zu drei Jahren.

Der US-Amerikaner im deutschen Rüstungsunternehmen

Zu ähnlichen verblüffenden Wirkungen kann es auch kommen, wenn in einem deutschen Rüstungsunternehmen ein US-Amerikaner für die Produktentwicklung zuständig ist, wie unser zweiter Ausgangsfall zeigt: Das deutsche Rüstungsunternehmen D beschäftigt den US-Amerikaner A. Der Aufgabenbereich des A betrifft auch die Produktentwicklung und Modifikation von Rüstungsgütern, die keine US-Komponenten und keine US-Technologie beinhalten. Was müssen D und A in diesem Fall beachten?

Besteht eine Genehmigungspflicht für diese Rüstungsdienstleistungen? Nach den Ausführungen oben erbringt A „Defense Services“, welche genehmigungspflichtig sind. Ob diese „Defense Services“ US-Rüstungsgüter oder ausländische Rüstungsgüter betreffen, ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Nach dem Wortlaut des § 124.1 (a) ITAR ist eine solche Genehmigung in Form des TAA für „Defense Services“ durch eine „US-Person“ zu beantragen.

Ist D oder A Adressat dieser Genehmigungspflicht? D selber ist keine „US Person“, weil man darunter im Sinne der ITAR US-Staatsbürger, Ausländer mit Daueraufenthaltsrecht in den USA oder in den USA eingetragene oder nach US-Recht ge-gründete juristische Personen versteht (§ 120.15 ITAR), sondern sie ist eine „Foreign Person“ (§ 120.16 ITAR) und somit nicht Adressat der Genehmigungspflicht nach § 124.1 (a) ITAR. A hingegen ist als amerikanischer Staatsbürger eine „US Person“ und unterliegt damit der Genehmigungspflicht nach § 124.1 (a) ITAR. Versuche, diese Genehmigungspflicht hier nur dann eingreifen zu lassen, wenn irgendein Bezug zu US-Rüstungsgütern besteht oder es um die Verarbeitung von US-Technologie geht, haben das DDTC in jüngerer Zeit nicht überzeugt: Demnach ist für die Rüstungsdienstleistungen von A eine US-Genehmigung, z.B. in Form eines TAA zwischen D und A, erforderlich.

Resümee

Die ITAR enthalten weitreichende extraterritoriale Regelungen, die zu erheblichen Auswirkungen bei europäisch-amerikanischen Rüstungskooperationen führen können. Nach europäischem Rechtsverständnis ist es zumindest ungewöhnlich, dass eine US-Genehmigungspflicht nicht an US-Territorium, US-Person oder US-Ursprung anknüpft, sondern allein an die Tatsache, dass rein europäische Rüstungsgüter auf der Basis der US- „Defense Services“/„Technical Data“ entwickelt oder hergestellt wurden. Diese – wie wir es nennen – „ITAR-Infizierung rein europäischer Rüstungsgüter“ gilt es im Vorfeld von Rüstungskooperationen zu bedenken, zumal es im Rüstungsbereich (anders als bei Dual-Use-Gütern) auch keine Geringfügigkeitsschwellen gibt (sog. See Through Rule des DDTC). Es wird auch schnell übersehen, dass die Staatsangehörigkeit der mit der Rüstungsentwicklung beschäftigten Arbeitnehmer im TAA genannt sein muss, oder dass Rüstungsentwicklungen eines US-Amerikaners in einem deutschen Unternehmen dazu führen können, dass ein deutsches Unternehmen für dessen Tätigkeit eine US-Genehmigung in Form eines TAA einholen muss. Hier besteht das Risiko erheblicher Sanktionen nach US-Exportrecht, wenn dies nicht beachtet wird.

Kontakt: harald.hohmann[at]hohmann-partner.com ; rafik.ahmad[at]hohmann-partner.com

16 replies on “US- Rüstungsgüterrecht ITAR erschwert Kooperation”

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