Mit dem Inkrafttreten der Iran-Embargo-Verordnung der EU am 27. Oktober 2010 wurden die Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und dem Iran stark eingeschränkt. Im Unterschied zu den USA können allerdings europäische bzw. deutsche Unternehmen immer noch Geschäfte in vielen erlaubten Bereichen mit iranischen Geschäftspartnern machen. Das gesetzeskonforme Handeln stellt jedoch Unternehmen vor große Herausforderungen und ist mit bürokratischem Aufwand verbunden.

Von Sylvia Röhrig, Redakteurin ExportManager, F.A.Z.-Institut

Auf dem vom F.A.Z.Institut organisierten Roundtable Iran-Embargo haben drei Experten Licht in das Dunkel der komplexen US und EU-Embargovorschriften gebracht und den Teilnehmern Handlungsempfehlungen gegeben. Die Veranstaltung stieß angesichts des akuten Informationsbedarfs der Unternehmen auf eine außerordentlich hohe Resonanz. Über 80 Teilnehmer aus vielen Teilen Deutschlands fanden sich am Nachmittag des 31. Januar 2011 in der „Pagode“ der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein. Dabei hatten sich deutlich mehr Interessenten angemeldet, als das F.A.Z–Institut an Plätzen zur Verfügung stellen konnte.

Rechtsanwalt Stephan Müller, Oppenhoff & Partner, gab zunächst einen Überblick über die US-amerikanischen Embargo-Bestimmungen und erläuterte, inwieweit diese Regelungen deutsche Unternehmen betreffen. Eine gewaltige Verschärfung des US-amerikanischen Iran-Embargos habe CISADA (Comprehensive Iran Sanctions, Accountability and Divestment Act) gebracht. Hierdurch bekämen US-amerikanische Embargoregelungen einen uneingeschränkt extraterritorialen Charakter, d.h., sie gälten auch für europäische Unternehmen. CISADA erweitere die Verbote auf Handel und Investitionen in Verbindung mit dem iranischen Öl- und Gassektor. Die „Waiver Restriction“ gebe der Sanktionsvollzugspraxis in den USA schärfere Zähne.

Durch die UN-Resolution 1929/2010 vom 9. Juni und die daraufgesetzte Iran-Embargo-Verordnung (EU VO/961/2010) seien die europäischen Sanktionen in Anlehnung an die USA-Regelungen deutlich strenger geworden. Die Iran-Embargo-Verordnung der EU sehe nicht nur eine Genehmigungspflicht für bestimmte Güter, sondern auch umfassende Ausfuhrverbote (Dual-Use-Güter, proliferationsrelevante Güter, Güter und Ausrüstungen zur internen Repression etc.) vor. Auch die Konzentration der EU-Sanktionen auf die iranische Öl- und Gasindustrie sei aus europäischer Sicht eine Neuheit. Hiermit wolle man das Herz der iranischen Wirtschaft treffen und einen effektiveren politischen Druck erzeugen. Müller riet dazu, die Sanktionen in den Bereichen Finanzierung und Versicherungen sowie die Melde- und Genehmigungspflichten im Zahlungsverkehr sehr ernst zu nehmen. Unternehmen sollten bei ihrem Iran-Geschäft den Zahlungsstrom genau im Auge behalten und „gelistete“ Finanzinstitutionen von der Transaktion ausschließen.

Im Unterschied zu den USA seien unter den neuen EU-Bestimmungen noch etliche Iran-Geschäfte möglich. Es gehe deshalb nicht darum, Wege zu finden, um das Embargo zu umgehen, sondern das Bewusstsein, betreffend Gebote und Verbote, zu schärfen. Wenn man also mit Gütern handle, die nicht „gelistet“ seien, und wenn der Kundenkreis keine „gelisteten“ Empfänger enthalte, könnten europäische Unternehmen Iran-Geschäfte machen. Hier unterscheide sich die EU immer noch stark von den USA, wo der direkte Export in den Iran für Unternehmen praktisch verboten sei. Müller wies schließlich darauf hin, dass es für Unternehmen wichtig sei, den Schlüsselbegriff „Iranische Person“ richtig zu verstehen, um sich rechtskonform zu verhalten. Der Begriff sei so weit definiert, dass die EU-Embargobestimmungen nun faktisch weltweit Geltung hätten. Und die Nach­forschungspflichten hinsichtlich des Geschäftspartners gingen weit. Wenn man erfahre, wie die Beteiligungsverhältnisse des Kunden seien, dann müsse man diese Erkenntnisse in die Prüfung einbeziehen.

Dr. Harald Hohmann gab zu bedenken, dass man im Iran-Handel bei vielen Produkten nicht wirklich wisse, ob sie verboten oder genehmigungspflichtig seien. Man bewege sich also oft in einem Graubereich. Er rate deswegen zu einer sehr sorgfältigen Prüfung des jeweiligen Geschäfts mittels Exportanwalts. Da die Prüfungen sehr aufwendig seien, solle man sich auf lukrative Geschäfte konzentrieren. Anhand von sieben Fallbeispielen zeigte Hohmann auf, welche Fragen sich in Verbindung mit Güter- und Personenprüfungen für Unternehmen stellen könnten und worauf zu achten sei. Denn Ziel sei es, sich einerseits rechtskonform zu verhalten und andererseits rechtliche Gestaltungsspielräume auszunutzen.

So sei es z.B. auch möglich, dass ein Unternehmen offensiv einen Verbotsentscheid des BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) auf Rechtmäßigkeit mittels Anwaltsgutachten prüfen lasse. Im konkreten Fall (Export eines Messgerätes mit radioaktivem Caesiumstrahler) war die BAFA-Position rechtlich angreifbar, und das Verbot wurde angesichts der überzeugenden rechtlichen Argumentation in einen Nullbescheid umgewandelt.

Ein weiteres Fallbeispiel bezog sich auf die Ausfuhr einer Anlage mit 20 Lieferanten. Hier sei ein aufwendiges Prüfverfahren aller Lieferanten auf Verbot bzw. Genehmigungspflicht wegen sensitiver Verwendung und auf US-amerikanischen Content der Zulieferteile erforderlich. Hohmann betonte die Bedeutung einer sorgfältigen Güter- und Personenprüfung. Nicht nur der Kunde (mit allen Ansprechpersonen), sondern auch die Endverwender, Lieferanten, Zwischenhändler und Dienstleister (Banken, Spediteure, Versicherungen) sollten geprüft werden. Eine gute Prüfung eröffne letztendlich Gestaltungsspielraum, weil man im Fall eines gelisteten Gutes bzw. einer gelisteten Person in der Geschäftskette diese durch nichtgelistete Alternativen ersetzen könne.

Hohmann thematisierte auch, welche Geschäfte im Rahmen von internationalen Konzernen eingeschränkt sind und wie sich die Beteiligungsverhältnisse von gelisteten Unternehmen beim Geschäftspartner auswirken. Die bloße Behauptung des BAFA, ein nicht gelisteter Kunde dürfe nicht beliefert werden, weil er unter der Kontrolle eines gelisteten Unternehmens stehe, „reicht u. E. nicht aus, solange keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Aufnahme des Kunden in Anhang VIII zumindest unmittelbar bevorsteht, weil sich die EG-Verordnung für einen Listenansatz entschieden hat“, so Hohmann. Wenn Geschäftsführer einer ausländischen Tochtergesellschaft Deutsche sind, müssten diese das EU-Iran-Embargo beachten, was mittelbar Auswirkungen auf die ausländische Tochter haben könne. Als Resümee stellte Hohmann fest, dass trotz der sehr hohen Handelsrestriktionen für Iran Gestaltungsmöglichkeiten in bestimmten Situationen bestehen können: bei einer sensitiven Randfigur etwa durch eine vertragliche Gestaltung, durch welche diese kaum Zugriffsrechte hat, durch einen Anwaltsvermerk, der nachweist, dass Güter für die genannte sensitive Verwendung nicht geeignet sind, oder durch vergleichbare Ansätze einer präzisen Rechtsauslegung.

Dr. Lothar Harings, Graf von Westphalen, erläuterte, wie sich die Erweiterung der EU-Sanktionen auf die Öl- und Gasbranche des Irans auf die Geschäfte deutscher Firmen auswirkt und wie diese damit umgehen sollten. Er riet dazu, das Exportverbot von Schlüsselausrüstungen und technologien (anhand des Anhangs VI der EU-Verordnung) genau zu untersuchen, am besten gemeinsam mit einem Rechtsanwalt und einem Techniker. Denn alle Güter, die nicht ausdrücklich aufgelistet sind, seien nicht verboten. Die teils unklare Formulierung der Embrago-Verordnung schaffe Freiräume. Ein weiterer wichtiger Punkt sei der Bestandsschutz von Altverträgen, der nur für Verträge in der Öl und Gasbranche (nicht aber in anderen Sektoren) gelte; auch hinsichtlich der personenbezogenen Verbote gebe es keinen Vertrauensschutz.

Harings warnte ausdrücklich vor „verlockenden Angeboten“ von Firmen aus un- belasteten Ländern, die sich anböten, in den Iran zu liefern. Wenn man wisse, dass Waren für den Iran bestimmt seien, dann helfe der Umweg über andere Staaten nicht. Gleiches gelte für den Wechsel der Firmenidentität, der auch einen Antrag auf Nullbescheinigung beim BAFA erfordere. Auch komplizierte, verschachtelte Vertragskonstellationen und Verschleierungsversuche führten auf den Irrweg.

„Es ist die politische Entscheidung jedes einzelnen Unternehmens, Geschäfte mit Partnern im Iran zu machen. Wir haben heute den Rahmen gezeigt, in dem es zulässig ist“, sagte Harings. Er appellierte an die Unternehmen, intern klare Strukturen zu schaffen und Compliance-Maßnahmen zu ergreifen. Denn einzelne schwarze Schafe könnten eine ganze Herde guter Unternehmen infizieren und diese dann in den Fokus negativer Berichterstattung bringen. Dann kämen sie in die unangenehme Lage, sich für erlaubte Tätigkeiten rechtfertigen zu müssen. Hierfür sollte man durch Transparenz und sorgfältige Dokumentation Vorsorge treffen.

Kontakt: s.roehrig[at]faz-institut.de

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